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Energietrends

Wärmenetze: Eine zentrale Lösung für die Wärmewende

November 2024

Die Energiewende schreitet voran, und ein zentraler Bestandteil ist die Wärmewende. Wärmenetze rücken dabei besonders in den Fokus. Doch was genau sind Wärmenetze und welche Vorteile bieten sie angesichts steigender Energiepreise und wachsender Umweltanforderungen?

Was sind Wärmenetze?

Wärmenetze, auch als Fern- oder Nahwärmenetze bekannt, verteilen Wärme für Heizung und Warmwasser über ein Rohrsystem. Anstatt dass jedes Gebäude eine eigene Heizungsanlage besitzt, wird die Wärme zentral in einem Heizkraftwerk oder durch lokale Wärmequellen erzeugt und dann an Haushalte oder Betriebe geliefert. Dieses Prinzip ermöglicht den Einsatz zentraler, umweltfreundlicher Technologien, die den CO2-Ausstoß erheblich verringern.

Verbreitung: Deutschland im Vergleich

In Deutschland sind derzeit rund 16 % der Haushalte an ein Wärmenetz angeschlossen. Dabei sind die Verteilungen aber regional sehr unterschiedlich. Flensburg ist eine herausragende Stadt in Deutschland, wo über 90 % der Haushalte durch ein Wärmenetz versorgt werden. Prinzipiell hat Fernwärme in städtischen Ballungsgebieten einen höheren Anteil, weshalb sie in Hamburg oder Berlin auch über 30 Prozent ausmacht, in Rheinland-Pfalz hingegen nur knapp 5 Prozent. Jedoch können auch ländliche Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern eine beachtliche Quote erreichen – mehr als ein Drittel aller Haushalte wird dort zentral mit Wärme versorgt. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass es auch anders geht: Skandinavische Länder wie Dänemark und Schweden sind Vorreiter in der Fernwärmeversorgung. Rund zwei Drittel aller Haushalte sind dort angeschlossen – in Kopenhagen sogar 98 %.

Fernwärme und Nahwärme: Wo liegt der Unterschied?

Fernwärme und Nahwärme unterscheiden sich hauptsächlich in ihrer Reichweite und Anwendung. Fernwärme wird über größere Entfernungen transportiert und ist vor allem in städtischen Zentren verbreitet. Ein Beispiel dafür ist das Fernwärmenetz der Stadtwerke München, das durch Geothermie – also die Nutzung der Wärme aus dem Erdinneren – besonders klimafreundlich ist.

Nahwärme hingegen deckt kleinere Gebiete ab, wie Neubaugebiete oder einzelne Siedlungen. Ein Beispiel ist das Nahwärmeprojekt in Rommerskirchen, wo im Neubaugebiet „Im Kamp“ innovative Techniken wie Wasser-Eisspeicher zur Energiegewinnung genutzt werden.

Vielfältige Wärmequellen: Von Geothermie bis Abwasser

Fernwärme wurde früher oft in Heizkraftwerken durch die Verbrennung von Kohle oder Gas erzeugt. Heute erfolgt jedoch die Umstellung auf klimafreundlichere Energiequellen. Ein großer Vorteil von Wärmenetzen ist ihre Flexibilität bei den Wärmequellen. Geothermie, die Nutzung von Erdwärme, gilt als besonders umweltfreundlich. In München beispielsweise setzt man stark auf diese Technologie, um langfristig unabhängig von fossilen Brennstoffen zu werden. Unterschieden wird hier zwischen oberflächennaher Geothermie (bis 400 Meter Tiefe) und Tiefengeothermie, die die Hitze in mehreren Kilometern Tiefe nutzt. München verfügt nämlich über einen Schatz: dem nahezu unerschöpflichen Vorrat an heißem Thermalwasser, das in 2.000 bis 3.000 Meter Tiefe lagert. Aber auch sonst gilt Wasser als Energiequelle, die in Wärmepumpen genutzt werden kann. Sei es aus Flüssen oder wie im Fall Flensburg, wo die Flensburger Förde als Wärmequelle für Großwärmepumpen erschlossen werden soll. Ein weiteres Beispiel ist die Nutzung von Abwärme aus der Industrie. In Ludwigshafen wird die Abwärme der BASF-Werke zur Beheizung von Wohngebieten genutzt. Diese „Abfallwärme“, die sonst ungenutzt bliebe, reduziert den Energiebedarf und spart CO₂-Emissionen.

Nutzung neuer Wärmequellen

Aber nicht nur die „alte Industrie“ erzeugt Abwärme, sondern auch die Digitalisierung bringt neue Möglichkeiten. Auch Rechenzentren erzeugen durch ihren hohen Energieverbrauch viel Wärme, die wiederverwendet werden kann. Der „Green IT Cube“ in Darmstadt zeigt, wie selbst die Niedertemperatur-Abwärme aus Rechenzentren sinnvoll genutzt werden kann, um damit Gebäude zu beheizen und den Energiebedarf deutlich zu senken.

Kontinuierlich werden zudem neue Lösungen entwickelt und Energiequellen erforscht, um die Nutzung von Wärmenetzen weiter zu optimieren. Ein Beispiel ist das Projekt in Köln, bei dem Abwasser aus der Kanalisation als Wärmequelle genutzt werden soll. Abwasser hat eine konstante Temperatur zwischen 13 und 23 Grad Celsius, selbst im Winter liegt sie stets über 10 Grad. Diese Restwärme kann durch Wärmepumpen für Nahwärmenetze genutzt werden, was eine ganzjährige, umweltfreundliche Wärmequelle darstellt. Dies zeigt, wie vielfältig Wärmenetze gestaltet werden können, um lokale Ressourcen effizient zu nutzen.

Beispielprojekt: Nahwärmenetz der rhenag in Windeck

Ein aktuelles Beispiel für den Ausbau von Wärmenetzen ist das Nahwärmeprojekt der rhenag in Windeck. Dort wird ein Netz geplant, das zunächst vier bis fünf kommunale Gebäude versorgen soll. Das Interesse in der Gemeinde ist groß: Über 30 Wohnungseigentümer und sechs Gewerbeeinheiten haben bereits ihr Interesse bekundet, ebenfalls an das Wärmenetz angeschlossen zu werden. Derzeit wird untersucht, welche lokalen Wärmequellen genutzt werden können. Zur Diskussion stehen der nahegelegene Fluss, die Abwärme einer Kläranlage oder Geothermie. Auch eine Kombination dieser Quellen wird geprüft, um die Versorgung so effizient und umweltfreundlich wie möglich zu gestalten.

Fördermöglichkeiten für den Anschluss an Wärmenetze

Oftmals werden die Kosten als Argument gegen den Anschluss an ein Wärmenetz angeführt. Viele Haushalte und Unternehmen scheuen die Investition. Der Staat bietet jedoch Unterstützung: Es gibt Bundesförderprogramme, die einen Teil der Kosten abdecken. Auch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) bietet Zuschüsse und günstige Kredite, um den Umstieg auf diese nachhaltige Heiztechnik zu erleichtern.

Wärmenetze als Schlüssel zur Wärmewende

Die Vorteile von Wärmenetzen liegen auf der Hand: Sie bieten eine zentrale, effiziente Lösung zur Versorgung mit Wärme und Warmwasser. Angesichts verschärfter Klimaziele und steigender Gaspreise gewinnen sie zunehmend an Attraktivität, denn man darf die heutigen Preise nicht in der Zukunft erwarten. Der CO2-Emissionshandel, der ab 2027 auch den Gebäudesektor erfassen wird, wird die Heizkosten für Gasheizungen mit großer Wahrscheinlichkeit weiter erhöhen. Zudem führt die sinkende Gasnachfrage bei gleichbleibenden Fixkosten langfristig zu Preissteigerungen.

Fern- und Nahwärmenetze bieten hier eine Lösung, die langfristig Kosten spart und den CO2-Ausstoß reduziert. Für Privatpersonen bedeutet dies, dass sie nicht individuell in teure Heiztechnologien investieren müssen. Die Umstellung auf klimafreundliche Wärme erfolgt zentral. Ein Beispiel ist Flensburg, wo die Stadtwerke ihre alten Kraftwerke auf Großwärmepumpen umstellen. So wird mit einer einzigen Maßnahme die Heizversorgung ganzer Stadtteile auf eine emissionsarme Zukunft umgestellt.

Chance für die Zukunft

Die Wärmewende ist eine der wesentlichen Herausforderungen der Energiewende. Wärmenetze bieten eine zentrale Lösung, um große Teile der Bevölkerung klimafreundlich und effizient mit Wärme zu versorgen. Städte und Gemeinden erstellen derzeit kommunale Wärmepläne, um zu ermitteln, wo Wärmenetze ausgebaut oder neu entstehen können und welche Energiequellen sich eignen. Für Unternehmen und Privathaushalte stellt sich die Frage, welche Heizlösung zukunftsfähig ist. Wärmenetze könnten der Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft sein.